ASSEMBLE. Wie wir bauen, im Architekturzentrum Wien
Ihr revolutionäres Design repariert, anstatt zu zerstören, es ist eine Avantgarde, die statt zu erfinden, wiederverwertet. Ihre Projekte nehmen das, was sie vorfinden und verbessern es. Sie reparieren, was die Institutionen nicht schaffen zu reparieren.
Diese „optimistische“ Schau, die zeigt, was Architektur für das Leben der Nutzer bewirken kann, hat Architekturzentrum Wien Direktorin Angelika Fitz zusammen mit Katharina Ritter kuratiert. Die erste Ausstellung ihrer Direktionszeit ist auch die weltweit erste Überblicksausstellung zum Werk von Assemble. Gleichzeitig wurde für das Kollektiv eine einjährige Gastprofessur an der Wiener TU organisiert.
Unter dem Titel "Wie wir bauen" widmeten sie sich gemeinsam mit den Studenten dem traditionellen Baustoff Wiens, dem Ziegel. Im Hof des Museumsquartiers entsteht aus diesem Material ein im Selbstbau errichteter Pavillon als konkretes Forschungsergebnis. Er wird dort als Begegnungsort und Werkstätte dienen.
In großem Maßstab sind im AzW sind zehn ihrer verwirklichten „Prototypen“ als Installationen zu besichtigen. Videos, Zeichnungen und weiteres Anschauungsmaterial zeigen, wie die Projekte in gemeinschaftlichen Prozessen entstehen. In der dazugehörigen Publikation der Reihe „Hintergrund“ werden die Projekte mit vertiefenden Informationen vorgestellt.
Materialproben wie ein raumhohes Fassadenfragment von ihrem Coworking-Projekt „Yardhouse“, wo sie günstige Künstlerateliers errichtet haben, oder eine Nachbildung der Mauer ihres Londoner OTOProjects, einem Konzertraum, dessen Wände aus mit Schutt gefüllten Säcken sowie aus Schutt-Verputz bestehen, geben einen fühlbaren Eindruck von ihrer originellen Bauweise.
Bei dem Kollektiv, das aus 18 gleichberechtigten Mitgliedern besteht, handelt es sich um die ersten Nicht-Künstler, die den von der Tate Gallery verliehenen Turner Prize 2005 gewannen, eine der wichtigsten Auszeichnungen in der zeitgenössischen bildenden Kunst.
Assemble verbinden in ihren oft im Selbstbau verwirklichten Projekten gemeinschaftliches Handeln mit ökologischer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit.
Die erste Intervention der damals frischgebackenen Uni-Absolventen, die sich in Cambridge kennenlernten, war „The Cineroleum“, ein im Kollektiv errichtetes pop-up Kino in einer verlassenen Tankstelle. Weg von den Multiplex-Kinos der Stadtränder wurde hier das Kino in die Innenstadt zurückgebracht. Am Ende jeder Vorstellung wurde der trennende Vorhang zur Umgebung gelüftet und so eine Art Straßentheater bzw. ein öffentlicher Raum geschaffen. Der Vorhang ist auch im AzW zu besichtigen. Ein weiteres ihrer Projekte in Liverpool brachte schließlich den Turner-Preis ein: Granby Four Streets ist eine um 1900 errichtete Arbeitersiedlung. Bei „Granby Four Streets“ kooperierte die Gruppe mit der örtlichen Nachbarschaftsinitiative und erstellte einen nachhaltigen Sanierungsplan für die Wiederbelebung des Viertels. Bis heute existieren dort von Bewohnern betriebene soziale Unternehmen weiter. Der Blackhorse Workshop in London ist ein weiteres Beispiel nutzergetriebener Architektur, wo nachhaltig Sozialunternehmen geschaffen wurden. Derzeit plant Assemble die neue Kunstgalerie des Goldsmith College in London.
Seit dem ersten Projekt, Cineroleum, haben sie sich die Freude am Improvisieren und dem Temporären bewahrt. Das Interesse am Raum und seine Nutzung sind für sie gleich wichtig wie das Bauen, bei dem die Freude am Hand-Anlegen mit der Selbstermächtigung der Nutzer einhergeht. Ihr Architekturbegriff dreht sich weniger um das Designen von Großbauten, sondern vielmehr um eine prozesshafte Serie von partizipativen Kooperationen und Aktivitäten, von denen Bauen nur eine ist. In den kurzen sieben Jahren ihrer Existenz ist Assemble gelungen, ihre Arbeit von kleinen Initiativen wie dem pop-up Kino zu immer größeren und einflussreicheren Projekten weiterzuentwickeln. Es bleibt zu wünschen, dass die Gestaltung und Rückeroberung von Lebensräumen durch lokale Grassroots-Initiativen ein nachhaltiger Trend wird. (Text: Cem Angeli)