JENNY SAVILLE. Gaze
Jenny Saville. Gaze ist eine Reflexion über den Akt des Sehens selbst. Unser Film begleitet die erste österreichische Einzelausstellung der britischen Künstlerin Jenny Saville im Wiener Albertina Museum. In Gesprächen mit Generaldirektor Ralph Gleis, Kuratorin Angela Stief und der Künstlerin selbst eröffnet sich ein dichtes Geflecht aus kunsthistorischen Bezügen, malerischer Materialität und existenziellen Fragestellungen, die Savilles Werk prägen.
Seit über drei Jahrzehnten widmet sich Jenny Saville einer radikalen Neubefragung des menschlichen Körpers – insbesondere des weiblichen Körpers – innerhalb der westlichen Bildtradition. Aufbauend auf der Sprache alter Meister wie Leonardo da Vinci, Rubens oder Tizian, transformiert sie deren Erbe mit einer unnachgiebigen Gegenwärtigkeit und aus einer dezidiert weiblichen Perspektive. In ihren monumentalen Gemälden wird der Körper nicht idealisiert, sondern als vielschichtige, fragmentierte und zutiefst physische Erscheinung sichtbar gemacht. Ihre Bilder fordern den Blick des Publikums heraus und eröffnen einen Raum des dialogischen Sehens: Wer schaut hier wen an – und mit welchen Erwartungen?
Der Ausstellungstitel Gaze – der Blick – benennt diese Spannung. Wie Ralph Gleis betont, befragt Saville das zeitgenössische Körperbild in einer Ära medialer Überformung, digitaler Spiegelungen und normativer Ideale. Ihre Figuren besitzen Masse, Volumen, Widerstand – sie sind Bild gewordene Präsenz. Durch Abstraktion, Überlebensgröße und mehrperspektivisches Arbeiten entwickelt Saville eine Bildsprache, die zwischen Intimität und Monumentalität, zwischen Anziehung und Verstörung changiert.
Im Film beschreibt die Künstlerin Malerei als einen Raum philosophischer Reflexion. Anders als Fotografie oder Film sei Malerei nicht an ein zeitliches Nacheinander gebunden – sie verdichte vielmehr den gesamten Prozess ihrer Entstehung in einer Oberfläche. Ihr Zugang ist experimentell und prozessorientiert: eine Abfolge malerischer Entscheidungen, Zweifel, Korrekturen – ein Sichtbarmachen von Denken in Farbe und Form. Dabei spielt für Saville das Wechselspiel von Figuration und Abstraktion eine zentrale Rolle: Wie lässt sich Glaubwürdigkeit, Empathie, Menschlichkeit im Bild verankern, ohne in reine Darstellung oder bloße Geste abzugleiten?
Kuratorin Angela Stief hebt Savilles kritischen Dialog mit der Kunstgeschichte hervor – und ihre Einschreibung in einen Kanon, den sie zugleich erweitert. Wenn Saville klassische Themen wie die Pietà oder die Fates aufgreift, transformiert sie diese mit zeitgenössischem Bewusstsein. Ihre vielansichtigen Porträts, ihre Darstellung von Verwundeten, Schwangeren, Verstorbenen – sie alle sprechen von einer Sichtbarkeit jenseits normativer Vorstellungen des Körpers. In ihrer Bildsprache artikuliert sich ein tief empfundener Humanismus, der den Menschen in seiner Verletzlichkeit und Vielschichtigkeit ernst nimmt.
Der Film dokumentiert nicht nur eine herausragende Ausstellung, sondern wirft grundsätzliche Fragen nach der Gegenwart der Malerei und der Sichtbarkeit des Körpers auf. Saville erinnert daran, dass die Malerei keine Funktion erfüllen muss – gerade darin liegt ihr subversives Potenzial. "Jenny Saville. Gaze" lädt dazu ein, einer Künstlerin von außergewöhnlicher Intensität zu begegnen – und den eigenen Blick zu befragen.
https://www.albertina.atDas könnte Sie auch interessieren

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