LEONARDO – DÜRER. Zeichnung auf farbigem Grund. Teil 2, Leonardo da Vinci
Leonardo da Vinci – der Name steht wie kein anderer für die künstlerische und intellektuelle Revolution der Renaissance. In unserem Film begegnen sich Ralph Gleis, Generaldirektor der Albertina, und Kurator Achim Gnann im Dialog über Leonardos meisterhafte Nutzung farbig grundierter Papiere – ein Medium, das ihm völlig neue Möglichkeiten eröffnete, Licht, Körperlichkeit und emotionale Tiefe in seinen Zeichnungen zu gestalten.
Die Ausstellung „Leonardo – Dürer. Meisterzeichnungen der Renaissance auf farbigem Grund“ präsentiert 26 Werke Leonardos aus internationalen Sammlungen und erlaubt einen einzigartigen Blick auf die Entwicklung seiner Technik. In der Verwendung von blau, rot oder anderen farbigen Gründen zeigt sich Leonardos ständiges Suchen und Experimentieren: Der blaue Grund verleiht Skizzen für das bronzene Sforza-Reiterdenkmal eine atmosphärische Weite und zugleich die Härte des Metalls. Der rote Grund dagegen hilft, fleischliche Tonalitäten sichtbar zu machen, indem Leonardo mit Rötel und Weißhöhungen subtil modelliert.
Gleis und Gnann erläutern eindrucksvoll, wie der Künstler diese Grundlagen nutzte, um das Medium Zeichnung über seine herkömmlichen Grenzen hinauszutreiben. Leonardos Technik – etwa seine für einen Linkshänder charakteristische Schraffur, die den blauen Grund bewusst einbezieht – verdeutlicht seine tiefe Reflexion über das Wesen von Licht und Schatten, Materialität und Geist.
Eine besondere Aufmerksamkeit gilt einer Apostelstudie, die mit Leonardos Abendmahl in Verbindung steht. Auch wenn die Figur nicht direkt im Fresko erscheint, verkörpert sie die emotionale Dynamik der Szene: Das Zurückweichen des Körpers, das Aufbäumen innerer Erregung, das Mahnen des erhobenen Fingers – all dies wird auf einem einzigen Blatt spürbar. In solcher Komplexität der Gefühlsregung zeigt sich Leonardos revolutionärer Ansatz: Figuren nicht typisiert darzustellen, sondern den individuellen psychischen Zustand sichtbar zu machen.
Die Zeichnungen Leonardos sind weit mehr als Vorstudien – sie sind eigenständige Zeugnisse einer neuen Weltsicht. In ihnen offenbart sich das zentrale Anliegen des Renaissance-Humanismus: der Mensch als fühlendes, denkendes Individuum.
Gleichzeitig wird in der Ausstellung sichtbar, wie farbig grundiertes Papier in der italienischen Zeichenkunst jener Zeit ein bevorzugtes Medium war, um Studien von Körpern, Draperien und Charakterköpfen eine zusätzliche Dimension zu verleihen.
Unser Film spürt dieser stillen Revolution nach: der bewussten Erweiterung der zeichnerischen Mittel, der subtilen Erforschung von Licht und Farbe – und der tiefer liegenden Frage, wie Kunst die innere Welt des Menschen sichtbar machen kann.
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