MIREILLE BINOUX. Lebende Farben
Mireille Binoux’ Bilder ziehen den verunsicherten Betrachter in verfremdete Landschaften, in denen er sich doch sofort zu Hause fühlt.
Obwohl sie die klassische Bildorganisation der Leinwand verlässt, behält Mireille Binoux dennoch einen scharfen Sinn für die Bildkomposition. Oft zeigen ihre Bilder Stillleben mit dezentrierten Elementen, fragmentierten Stadt- oder Landschaften, oder Porträts mit facettenartigen Darstellungen von Gesichtern. Ihre Bilder reorganisieren den Raum und seine traditionelle Perspektive zugunsten einer Flächigkeit der Leinwand, in gewisser Weise als Erbe des Kubismus. Tatsächlich findet man in ihren Werken das Cézannesche Vermächtnis eines Willens zur Vereinfachung und Geometrisierung der Formen, um einen flächigen Effekt zu erreichen.
Das Hauptelement, das man in der Arbeit Mireille Binoux zwischen den Zeilen lesen kann, und das in gewisser Weise ihre Handschrift ist, ist ihre Leidenschaft für die Farbe und deren ganz eigenständige Verwendung. Die Tableaus sind in Flächen von lebhaften und opaken Farben zusammengefügt, wobei die Zeichnung durch die Farben bestimmt wird und nicht umgekehrt. Beizeiten reicht der chromatische Kontrast aus, die Bereiche des Bildes zu umreißen, wobei ein leuchtendes Rot neben einem Indigoblau selbstverständlich und natürlich erscheint, trotz seiner scheinbaren Irrealität. Manchmal achtet die Künstlerin darauf, manche Farbflächen zu umgrenzen um die Formen besser hervortreten zu lassen, wie auch oft in ihren Portraits zu beobachten ist. Gleichzeitig resultiert die Anordnung der Formen und des Raumes in Funktion der Verwendung der Farben in einer geschickten Verwirrung von Form und Hintergrund, von Vordergrund und Horizont, und sogar der Darstellungsebenen. In der Tat liebte Mireille Binoux es, die Natur der gemalten Objekte zu verwandeln: Nicht nur indem sie ihre Farben verzerrt und so die Leinwand in einem neuen Licht vibrieren lässt, sondern auch indem sie diese Gegenstände verformt: Je nach Blickwinkel werden sie gestreckt, gespiegelt oder verdoppelt. Die Stillleben fordern die Sehgewohnheiten heraus und die Portraits strahlen mit ironischer Melancholie.
Mireille Binoux, geb. Gouirand, wurde im November 1929 in Nizza geboren. Sie studierte zunächst an der Kunstakademie in Nizza und später in Paris, wo zu ihrem Freundeskreis die Maler Bernard Buffet, Ferit Iscan, Pierre Alechinsky und der Bildhauer César gehörten.
In der Nachkriegszeit erhielt sie zahlreiche Preise und stellte ihre Werke in den USA und Frankreich aus. Reisen in Nordafrika und Asien waren ebenso wie ihr Studium der Ägyptologie und der Hieroglyphen Anlass für umfangreiche Werkzyklen. Mit ihrem Ehemann, dem Architekten Jaques Binoux und ihren drei Kindern lebte sie in Bougival bei Paris und Challementeau (Bourgogne), deren Ansichten in vielen ihrer Werke wiederzufinden sind.
Von den Malern ihrer Generation schätzte sie Camille Hilaire und Antoni Clavé, bevorzugte allerdings Matisse und vor allem Bonnard. Als ihren größten Einfluss und ihre Inspirationsquelle sah sie jedoch stets Cézanne, der wie sie aus dem Süden Frankreichs stammte. (Text: Colette Angeli)
Mireille Binoux ist am 14. Mai 2014 in Nimes verstorben.
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