YASMEEN LARI. Architektur für die Zukunft
Die weltweit erste Ausstellung zum Gesamtwerk von Yasmeen Lari: Das Architekturzentrum Wien richtet der ersten Architektin Pakistans anhand von bisher unveröffentlichten Fotos, Dokumenten und Zeichnungen aus ihrem Archiv eine Personale aus, die noch bis 16.8. 2023 im Architekturzentrum Wien im Museumsquartier zu sehen ist.
Kuratiert von Angelika Fitz, Elke Krasny und Marvi Mazhar zeichnet die in neun Kapitel gegliederte Ausstellung die gesamte Karriere Yasmeen Laris nach, von ihren modernistischen Anfängen der 1960er-Jahre über ihre Projekte im sozialen Wohnbau in den 1970ern bis zu ihrer Zeit als Stararchitektin in den 1980ern und 90ern und ihrer Orientierung hin zu einer CO2-armen nachhaltigen Architektur ab der Jahrtausendwende.
Yasmeen Lari, geboren 1940 als Tochter eines Ziviltechnikers und Stadtplaners in Pakistan, studierte Architektur in Oxford und kehrte nach dem Studium nach Pakistan zurück, wo sie 1964 in Karatschi das Architekturbüro Lari Associates gründet und die erste als Architektin tätige Frau Pakistans wird.
Als solche hatte sie mit hierarchischen Widerständen und Karrierehemmnissen zu kämpfen, doch machte sie das Projekt der Wohnsiedlung Angoori Bagh in Lahore (1973) am Anfang ihrer Karriere schlagartig bekannt. Die 787 Wohneinheiten, hitzeabweisend verschachtelt in traditioneller Bauweise mit niedrigen Kosten und Beteiligung lokaler Handwerker - anstatt teurer Fassaden und Beteiligung internationaler Baufirmen - war ein Pionierprojekt für sozial und kulturell nachhaltige Wohnsiedlungen sowie ressourcenschonende Low-Cost-Konzepte im urbanen Raum. Der Masterplan Angoori Bagh war auch für den Aga-Khan-Preis nominiert.
Es folgten Aufträge von der öffentlichen Hand sowie von internationalen Konzernen und privaten Bauherren. In dieser Zeit entwarf sie Wahrzeichen wie das Finance and Trade Center in Karatschi, das Pakistan State Oil House sowie die Zentrale der niederländischen ABN Amro Bank.
Im Jahr 2000 - nach ihrer Pensionierung - beschloss sie, sich von der Kapital-bestimmten Auftraggeberarchitektur abzuwenden und sich vermehrt der armen und entwurzelten Bevölkerung zu widmen. Naturkatastrophen von Erdbeben bis zu Überflutungen motivierten sie zur Entwicklung ihrer Zero-Carbon-Selbstbau-Bewegung, unter Verwendung von klimaneutralen Materialien wie Bambus, Lehm und Kalk für den Selbstbau.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten konzipierte und realisierte sie ihr System der Zero-Carbon-Architektur, unter Beteiligung lokaler Arbeitskraft im Selbstbau, verbesserter überlieferter Bautraditionen, und dem Augenmerk auf Bedürfnisse der Frauen.
Inzwischen entstanden zehntausende flut- und erdbebensichere Häuser, sanitäre Infrastrukturen und auch der rauchfreie Herd. Der Pakistan Chulah (Pakistanischer Herd) braucht nur halb soviel Brennmaterial, wird unter Youtube-Anleitung von den Nutzern selbst gebaut und bringt neben Material-und Zeitersparnis weitere Vorteile wie höhere Brandsicherheit, verbesserte Körperhaltung der Frauen beim Kochen und mehr Hygiene durch Abstand vom Boden.
Gemeinsam mit ihrem Mann Suhail Zaheer Lari gründete Yasmeen Lari die Heritage Foundation of Pakistan und erforschte das bauliche Erbe ihres Landes, Alltagsbauten ebenso wie die beiden Weltkulturerbestätten in Makli und Lahore. Sie war auch lange Zeit als Beraterin für die Unesco tätig.
Yasmeen Lari hat Architektur als Klimaaktivismus neu definiert und in Pakistan, das eines der stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder ist, die weltweit größte Zero-Carbon-Selbstbau-Bewegung initiiert.
Ihre Arbeit wurde in letzter Zeit mit Preisen auch international gewürdigt: 2016 erhielt Lari den Fukuoka Preis für Kunst und Kultur, 2020 den Jane Drew Preis und 2021 das Ehrendoktorat des Politecnico di Milano. Aktuell hat sie eine Gastprofessur an der Universität Cambridge. (Text: Cem Angeli)
Zur Ausstellung erscheint das Buch „Yasmeen Lari. Architecture for the Future” bei MIT Press. Mit Beiträgen von Angelika Fitz, Elke Krasny, Marvi Mazhar, Chris Moffat, Helen Thomas, Anila Naeem, Abira Ashfaq, Raquel Rolnik, Anne Karpf, Runa Khan, Cassandra Cozza, Rafia Zakaria.
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