MIGUEL ALVEAR. Tableaux popular
In seinen Arbeiten greift der ecuadorianische Künstler Miguel Alvear Motive auf, die südamerikanischen Populärkulturwelten entspringen. Die Ikonen des Populären mischt er mit historischen und mythologischen, auch mit kunsthistorischen Vorbildern. Manchmal führt er den Bilderschatz unterschiedlicher sozialer Milieus zusammen und vermengt, was sich im wirklichen Leben aus Gründen des guten Geschmacks um Distanz bemüht. Solche Kunst, die die Berührungsängste Voreingenommener missachtet, schafft Reibung. In seiner vom City Museum of Quito in Auftrag gegebenen Arbeit "Popular Mechanics" hat Miguel Alvear eine übersteigerte Wiederherstellung weiblichen Tecnocumbia-Stardoms in der Bildsprache der Busfahrer des örtlichen öffentlichen Verkehrs in Angriff genommen. Wo Reibung herrscht, herrscht auch Reibungsverlust. Die Annahme der Arbeit als einem Aushängeschild ecuadorianischer Kultur wurde vom Museum verweigert – Bild ist, was sich im Rahmen hält.
Miguel Alvear kommt aus dem Film- und Videogenre. Studiert hat er am Institut des Arts de Diffusion in Belgien und anschließend am San Francisco Art Institute in Kalifornien. In seinen Fotografien ist sein filmischer Background spürbar. Sie sind zum Stehen gekommene Bilder. Tableaux vivants, die das Sakrale ihrer Vorbilder mit Groteskem, das Fließende mit Statischem, Wahrzeichen mit Trash und – wie in den Tecnocumbia Songs – religiös verbrämtes, gesprochenes Wort mit einer visuellen Überdosis Sex mischen.
In seinem jüngsten Film Blak Mama folgt Miguel Alvear der hybriden Bildsprache religiös-heidnischer Festivals ausgehend vom alljährlich in Latacunga stattfindenden Fest zu Ehren von "Mama Negra". Die Parade anlässlich der Feier referenziert nicht nur auf die Rettung der Stadt durch die Heilige. In ihrer Bildsprache gelangt auch die Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung durch die spanischen Kolonialherren zum Ausdruck, eine nicht zur Gänze gelungene Christianisierung und die Vermischung dieses Glaubensgemisches mit religiösen Vorstellungen der aus Afrika verschleppten Sklaven, bolivianischen sowie guatemaltekischen Gastarbeitern und den Notwendigkeiten ausgelassenen Feierns.
In seinem Film geht der Künstler nicht dokumentierend vor. Er nutzt die Vorlage des Festivals, seine Figuren, ihre visuelle symbolische Kraft, und setzt sie in Handlungszusammenhänge, die eine Tiefenschicht des kollektiv Unbewussten oder Verdrängten zum Sprechen bringen, das in der Bildsprache der Parade zwar mitgeführt wird, aber nur unterschwellig zu Wort kommt. "Die Verwandlung der Menschen während der Parade rührt von Unzufriedenheit, Begehren und Fantasie. Um das andere zu werden, ist die Travestie ein erster Schritt. Kleide dich wie sie, kleide dich wie er. Dann tanze." (Text: Wolfgang Haas)
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