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HERMANN JOSEF PAINITZ. Ästhetik als Reflexion

Kategorie: Porträt 14. April 2014

Aus Buchstaben werden Symbole, aus geometrischen Reihen eine Matrix, Serien und Rhythmen werden codierte Schriften - Hermann Josef Painitz beschäftigt sich seit den 1960er-Jahren mit Sprache und Schrift, den Verbindungen von Zeichen, Buchstaben, Symbolen, Farben und Bedeutungen. Zeitkunst Niederösterreich widmet dem Künstler in der Landesgalerie in St. Pölten eine Retrospektive, zu sehen bis 24. August 2014. In seiner „logischen Kunst“ werden statistische Daten visuell- geometrisch umgesetzt, visuelle Zeichensysteme kodifiziert und dem Besucher zur Entschlüsselung angeboten.

Ohne Zweifel ist Painitz ein ruheloser Künstler, der nie aufgehört hat, Modulationen, Erweiterungen und Infragestellungen seiner Arbeit einzuführen, und in luzider Weise Störfelder zu erzeugen, Interferenzen oder Techniken, die es erlauben, die unabgeschlossene Dimension seiner Analyse zu radikalisieren. Hier kann jedes Bild auf eine Formel, Zeichen, Proportionen, Vektoren etc. reduziert werden, es existiert eine Ikonographie der Logik und Physik, materielle Spuren, eine Zeichnung, ein Lageplan des Denkens, genetisch in seinen Zeichen enthalten. Die Vorstellungskraft öffnet sich an den sinnlichen Erfahrungen und führen dann ein neues Element in die Bilder ein: die Zeit. Präzise Koordinaten von Zeit und Raum öffnen das ausdrucksmäßige expressive Spektrum auf eine metaphysische Dimension hin.

Ganz im Sinne des Konzepts des offenen Kunstwerks (opera aperta) von Umberto Eco wendet er ein vieldeutiges stilistisches Alphabet in seinen plastischen und konzeptionellen Konstrukten an. So betreibt die konzeptuelle Kunst des Hermann Painitz die Eliminierung des Kunstobjekts in seiner traditionellen Modalität. Das Augenmerk wird vom Objekt auf das Konzept und Projekt, sowie auf das Wahrnehmungs- Vorstellungs- und kreative Vermögen des Rezipienten gelegt.

Ab diesem Moment begegnen sich die syntaktisch-formale Tendenz einerseits und die semantisch-pragmatische andererseits, wo weniger Augenmerk auf die Syntaktik der Form gelegt wird. Beide Alternativen gehen über die institutionalisierten Grenzen der Tradition hinaus und in einer dritten Stoßrichtung wird der existentielle Status des Werks als Objekt hinterfragt.

Sogar in den extremsten Fällen kann es jedoch keine komplette Entmaterialisierung geben, denn sogar die geschriebenen Worte sind in ihrer Mündlichkeit „Objekte“ –und nicht in erster Linie kulturelle- sondern Wahrnehmungsobjekte, denen eine Bedeutung beigemessen wird.

So können wir in der Wahrnehmungsdimension der Zeichen feststellen, dass die Verhältnisse, Formeln und Probleme die durch Logik und Mathematik eingeführt werden, auch eine neue ästhetische Einstellung erschaffen. Painitz erreicht es, dass seine Piktogramme mit ihren Reflexen, Effekten, irrealen Perspektiven, seriellen Wiederholungen, Harmonien und leuchtenden Farben ein Gefühl der Levitation, von Gleichgewicht und Schweben vermitteln, jedoch immer im Bewusstsein, dass auf dieses Schweben der –mentale- Fall folgen kann.
Hier wird die visuelle Erfahrung wie eine Art unbeugsame, unreduzierbare Erkenntnis eingebracht, in einer Kunst, die eine besondere Widerstandsfähigkeit gegen ihre Domestizierung aufweist. In einem von Metaphern, Botschaften und anderen diskursiven Konstrukten dominierten Universum hat die gegenläufige Ästhetik von Painitz die Eigenschaft, den Betrachter zu fesseln und die Verbindungsbrücke zwischen unterschiedlichen symbolischen Bereichen zu blockieren.

Im Zuge dieses Forschungsprozesses sind die Arbeiten immer einfacher in der Komposition aber komplizierter in der Konzeption geworden, die vom Künstler gewählte begriffliche Systematik besteht als Herausforderung an den Betrachter, sie zu entschlüsseln. Painitz’ Werke fordern die Denkgewohnheiten heraus, die Gesetze der Schwerkraft und die Wahrnehmung der Betrachter. (Text: Cem Angeli)

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