ANTON CORBIJN. Favourite Darkness
Corbijns künstlerischer Werdegang ist untrennbar mit der Musik verbunden. Seine frühen Fotografien, inspiriert von den Klängen seiner Jugend, fanden ihren Ausdruck zunächst in Schwarz-Weiß-Porträts von Musiker:innen, später auch in ikonischen Musikvideos. Doch mit den Jahren verlagerte sich sein Fokus. Heute interessiert ihn zunehmend die Malerei – nicht nur als Motiv, sondern als Medium der Freiheit. Maler*innen, so Corbijn, sind anders als Musiker*innen: Sie sind nicht an ihr eigenes Abbild gebunden, sie müssen sich nicht verkaufen. Es geht ihnen um das Werk, nicht um die Persona. Diese Distanz zur Öffentlichkeit fasziniert ihn – ebenso wie der schöpferische Moment, der sich in den Ateliers abspielt, wenn ein Bild noch unfertig, noch im Werden ist.
Die Ausstellung Favourite Darkness greift diesen Gedanken auf und spannt ein narratives Netz, das Corbijns Entwicklung als Fotograf nachzeichnet. Kuratorin Lisa Ortner-Kreil hebt dabei nicht nur seine enge Verbindung zur Musik hervor, sondern auch sein Interesse an den Mechanismen des Bildes selbst. Ein Raum ist ausschließlich Frauen gewidmet – Schauspielerinnen und Musikerinnen, die er mit einer Sensibilität porträtiert, die sich von der oft männlich dominierten Ästhetik der Rockfotografie unterscheidet. Corbijns Blick auf seine Motive ist introspektiv, oft melancholisch. Seine Fotografien sind durchzogen von einer Dunkelheit, die nicht nur visuell wirkt, sondern eine existenzielle Dimension erhält.
Der Titel der Ausstellung, Favourite Darkness, stammt aus einem Song von Depeche Mode und scheint wie eine poetische Zusammenfassung von Corbijns Bildsprache. Es ist eine Dunkelheit, die sich nicht in Schwarz-Weiß-Kontrasten erschöpft, sondern eine innere Verfasstheit beschreibt – die Einsamkeit kreativer Persönlichkeiten, den Moment der Selbstreflexion, das Spannungsverhältnis zwischen öffentlicher Projektion und privater Wirklichkeit.
Mit dieser Ausstellung im Bank Austria Kunstforum in Wien öffnet Corbijn sein Archiv und zeigt nicht nur Fotografien, sondern auch seine Arbeiten als Regisseur. Damit wird ein künstlerisches Werk greifbar, das weit über die Ikonografie der Popkultur hinausreicht. Favourite Darkness ist keine Hommage an den Ruhm, sondern eine Auseinandersetzung mit den Bildern, die bleiben – und mit der Frage, was sie in uns auslösen.
https://www.kunstforumwien.atDas könnte Sie auch interessieren

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