CLEMENS HOLLERER. The Beauty of the Beast
Die gebrochenen Symmetrien die man auf Baustellen vorfindet, inspirieren Clemens Hollerer. Die Zustände des Übergangs, der Zerstörung und des Chaos, der Fehler und Überraschungen aber auch der klaren Strukturen, Muster und Farben.
Clemens Hollerer verschiebt durch den Gebrauch von Objekten aus Baumaterial die Schwerpunkte der Aufmerksamkeit in einem Raum. Die von ihm vorgefundenen Räume dienen ihm als Inspirationsquelle, mit seinen gleichsam narrativen skulpturalen Installationen entwirft er ein eigenes Orientierungssystem für die Wahrnehmung des Ausstellungsraumes.
Seiner Arbeitsweise erinnert an ein Abtasten der architektonischen Eigenheiten, ein Aufspüren ihrer spezifischen Bedingungen und ihrer Kennzeichnung, die Baustellenästhetik erinnert an technische Konstruktionen, sie verweigert sich jedoch einer Erklärung und eindeutigen Funktionsbestimmung.
Die sichtbare Struktur des Innenraums und seiner Oberflächen wird durch seinen künstlerischen Eingriff teilweise betont, die Objekte im Raum konfrontieren den Betrachter mit der Dimensionalität des Raumes selbst, aber auch mit dem bloßen Material der vorhandenen Bausubstanz.
Die Arbeiten erscheinen wie Assemblagen, mit ihrer Montagetechnik deuten die flachen Materialien, Bretter auf den ebenen Wandoberflächen und dem Boden eine plastische Form an - die einzelnen Elemente scheinen irgendetwas anzukündigen. Durch Hollerers Fähigkeit, die Bestandteile auf sehr ungewohnte Weise im Ausstellungsraum zu kombinieren, sie zusätzlich unter Spannungen zu setzen oder sie in offenen Prozessen zu belassen, wird überraschend die inhärente Poesie der verwendeten Dinge offenbar.
Die Installationen drängen sich nicht auf, aber sie gewähren auch keine Rückzugsmöglichkeit, sie nehmen den gesamten Raum auf ihre Weise ein. Sie sind schwer und doch fragil, monumental und ephemer, sehr körperlich, auch verspielt, gewollt trashig – und menschlich, im Maßstab oder im Auftreten. Was von den Händen Hollerers gebaut, gezimmert, angestrichen wird, hat zwar Präsenz aber übertreibt nicht, wirkt angesichts der Größe befremdlich, aber nicht bedrohlich.
Seine unmanierierte Arbeitsweise, seine Direktheit wirken, als hätte er sein jeweiliges Werk gerade erst erdacht. Er legt nach eigener Aussage auch viel Wert auf spontane Einfälle – er misstraut langem Vorausplanen und lässt den Raum auf sich wirken. Die den Betrachter fesselnde Präsenz seiner Objekte ist die Konsequenz einer inszenierten Skepsis, sowohl dem Material als auch den Objekten selbst gegenüber, und das obwohl seine Werke immer von hoher handwerklicher Präzision und Qualität sind. Diese Handwerklichkeit verdankt sich einerseits der von ihm eingeräumten Liebe zum Material, ist aber wohl auch Ausdruck einer konsequenten Haltung, die keinen direkten Adressaten hat sondern vielmehr gegen sich selbst gerichtet ist – zusammen mit Anklängen eine sarkastischen Humors macht dies die anrührende Qualität seines Werks aus.
Viele seiner Werke entstehen in unmittelbarer Reaktion auf den Ort ihrer Präsentation, und letztendlich werden sie am Ende einer Schau abgebaut, zerstört, recycelt. Hier könnte man zwar eine politische Aussage herauslesen, aber eigentlich funktionieren die Installationen als Skulptur, auch wenn sie augenscheinlich Verweise auf die Strukturen unserer Gesellschaft und auf deren problematische Auswürfe enthalten.
Hollerer stellt Funktionen und Erscheinungsbilder in Frage. Beides differenziert er voneinander, setzt beides neu zusammen, hebt die jeweilige Qualität scheinbar auf. Die dabei entstehenden Werke legen kraft ihres Aussehens einen völlig anderen Bezug nahe, sie wirken rein funktional und haben doch gar keine „sinnvolle“ Funktion….Sein oder Schein?
Die überbordende Funktionslust, gepaart mit der Frage nach der Existenzberechtigung der Kunst führt uns seine Realität vor Augen. In der fertig gestellten Vollziehung sind es Kunstobjekte, die zwar Prototypen sind, aber eine Wirklichkeit andeuten die sich bei genauem Hinsehen als unwirklich erweist. (Text: Cem Angeli)